„Was brauchen Alleinerziehende?“
Drei Fragen an Elisabeth Ingenerf-Huber, Abteilungsleiterin der Fachberatung für familienunterstützende Leistungen im LVR-Landesjugendamt Rheinland
In Deutschland leben 1,7 Millionen alleinerziehende Familien mit minderjährigen Kindern – das ist jede fünfte Familie. Acht von zehn Alleinerziehenden sind Frauen. Sie stehen in ihrem Alltag vielfältigen Herausforderungen gegenüber – zum Beispiel finanziellen Schwierigkeiten, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sozialer Isolation oder psychischen Belastungen.
Im aktuellen „Factsheet Alleinerziehende“ der Bertelsmann Stiftung heißt es: „Trotz einzelner sinnvoller Maßnahmen, wie Reformen des Unterhaltsvorschusses und des Kinderzuschlags, ist es noch immer nicht gelungen, die belastende Situation für viele Alleinerziehende entscheidend zu verbessern“.
Auf kommunaler Ebene existiert eine Vielzahl von passgenauen Angeboten, die speziell für Alleinerziehende entwickelt wurden. Das LVR-Landesjugendamt Rheinland stellt heute bei einem Fachtag gemeinsam mit der Landesfachstelle Alleinerziehende NRW mit rund 90 Fach- und Leitungskräften aus Jugendämtern, Beratungsstellen, Familienbildungsstätten und anderen familienunterstützenden Diensten Praxisbeispiele vor und lädt zu einer Diskussion darüber ein, wie Alleinerziehende noch besser unterstützt werden können.
Elisabeth Ingenerf-Huber ist Abteilungsleiterin der Fachberatung für familienunterstützende Leistungen im LVR-Landesjugendamt Rheinland. Ein Schwerpunkt der Tätigkeit besteht in der Vernetzung unterschiedlicher Akteure im Bereich der familienunterstützenden Leistungen zur Stärkung der präventiven Angebotsstrukturen.
Frau Ingenerf-Huber, vor welchen Herausforderungen stehen Alleinerziehende?
Alleinerziehende stehen vor vielfältigen Herausforderungen, die sich auf verschiedene Lebensbereiche erstrecken. Dazu gehören finanzielle Schwierigkeiten, da sie nicht nur alleinerziehend, sondern auch größtenteils alleine für das Einkommen verantwortlich sind. Zusätzliche Kosten beispielsweise für die Kinderbetreuung oder Bildungsangebote belasten das oft schon knappe Budget.
Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren ist herausfordernd. Selbst bei flexiblen Arbeitszeiten ist das eine permanente Anstrengung, gerade bei besonderen Umständen, wie Erkrankungen der Kinder, Wahrnehmung von schulischen Terminen oder die Begleitung zu Freizeit- und Bildungsangeboten. Fehlende Betreuungsangebote, insbesondere für Randzeiten oder Ferien erschweren dies zusätzlich.
Alleinerziehende haben oft auch mit sozialer Isolation zu kämpfen, weil durch die Doppelbelastung wenig Zeit für soziale Kontakte oder eigene Hobbies bleibt. Darüber hinaus fühlen sich Alleinerziehende häufig gesellschaftlich stigmatisiert oder allein gelassen. Dies alles führt auch dazu, dass die psychische Belastung Alleinerziehender enorm ist. Die permanente Verantwortung und der Druck können zu Stress und Erschöpfung führen. Nicht selten haben Alleinerziehende das Gefühl von Einsamkeit oder Versagensängste, weil sie die Herausforderung der Kindererziehung und die Verantwortung alleine tragen müssen.
Hinzu kommen rechtliche und bürokratische Hürden, weil beispielsweise die Regelungen zum Unterhaltsvorschuss und anderen Sozialleistungen als unzureichend und kompliziert empfunden werden.
Welche Angebote vor Ort können Alleinerziehende unterstützen?
Auf kommunaler Ebene gibt es bereits zahlreiche Angebote, die Alleinerziehende unterstützen.
So bieten beispielsweise die Erziehungs- und Familienberatungsstellen Unterstützung bei rechtlichen, erzieherischen und auch finanziellen Fragen an. Familienbildungsstätten halten spezielle Angebote vor, in der Regel mit parallelen Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Es gibt Alleinerziehenden-Treffs, in denen der Austausch mit anderen, oft unter psychologischer Begleitung stattfindet. Bei finanziellen Problemen können Sozialberatungsstellen unterstützen.
Viele Kindertageseinrichtungen oder Tagespflegepersonen bemühen sich um flexiblere Öffnungszeiten, und auch Notfallbetreuungen, zum Beispiel im Krankheitsfall oder bei beruflichen Terminen werden vermehrt angeboten.
Bei Freizeit- und Bildungsangeboten gibt es oft kostenlose oder rabattierte Angebote für diese Zielgruppe.
Es bestehen Angebote des Jobcoachings für Alleinerziehende, die bei der Jobsuche, Bewerbungen oder Weiterbildungen beraten und unterstützen. Des Weiteren existieren spezielle Programme, die Teilzeitausbildungen ermöglichen und auf die Lebensrealität von Alleinerziehenden zugeschnitten sind.
Viele dieser Angebote werden von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden oder von Initiativen wie der Landesfachstelle Alleinerziehende NRW organisiert.
Was kann die Fachberatung für familienunterstützende Leistungen im LVR-Landesjugendamt Rheinland beitragen, um die Situation Alleinerziehender zu verbessern?
Die Fachberatung für familienunterstützende Leistungen im LVR-Landesjugendamt Rheinland kann auf mehreren Ebenen dazu beitragen, die Situation von Alleinerziehenden zu verbessern:
In der Trägerberatung gehört es zu unseren Aufgaben, für das Thema zu sensibilisieren. Die heutige Veranstaltung ist ein Beispiel dafür. Wir machen auf die besonderen Herausforderungen für Alleinerziehende aufmerksam. Die Landesfachstelle für Alleinerziehende NRW stellt bereits zahlreiche Materialien zur Verfügung, um das Wissen über die Situation der Alleinerziehenden in der Öffentlichkeit zu verbessern.
Wir ermuntern in unseren Kontakten mit den Kommunen zur Entwicklung passgenauer Angebote. Einer unserer Schwerpunkte liegt hierbei auf der Vernetzung der Angebote vor Ort, damit sich die präventive Wirkung noch weiter entfalten kann.
Auch zukünftig werden wir Fortbildungsangebote für Fachkräfte anbieten, um deren Wissen über die Lebensrealität Alleinerziehender und deren Unterstützungsbedarf zu erweitern.
Wir als LVR-Landesjugendamt Rheinland hoffen, mit Fachwissen, Vernetzung und Ressourcen einen kleinen Teil dazu beitragen zu können, dass die Unterstützungslandschaft für Alleinerziehende wirksamer und passgenauer wird.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Ingenerf-Huber.
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