Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Henning Rehse in der Landschaftsversammlung 25.02.2025

Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Henning Rehse in der Landschaftsversammlung 25.02.2025

Rede des Vorsitzenden der Fraktion FREIE WÄHLER

Henning Rehse,

zur Verabschiedung des Doppelhaushalts 2025/2026

in der Sitzung der Landschaftsversammlung Rheinland

am 25. Februar 2025

 

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Frau Vorsitzende Henk-Hollstein,

sehr geehrte Frau Landesdirektorin Lubek,

sehr geehrter Herr Kämmerer Hillringhaus,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

„Ein schwieriger Haushalt in unsicheren Zeiten!“ lassen Sie mich mit diesem Satz meine Ausführungen beginnen.

Ein weiterer Kernsatz, den ich meinen Ausführungen voranstellen möchte, lautet, und hier zitiere ich nicht nur den Finanzminister a.D., Christian Lindner, sondern viele namhaften Persönlichkeiten, die sich mit Finanzen und Volkswirtschaft auskennen: „Es gibt in diesem Land kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.“

 

Ich möchte in dieser Rede einmal abseits der wichtigen und richtigen Einzelposition unseres Haushalts wie auch der Anträge der politischen Gruppierungen den Focus auf das Wesentliche, die „Big-Points“, auf grundsätzliche Probleme in den Strukturen richten.

 

Wir haben in der letzten Landschaftsversammlung eine Resolution zum Thema Beteiligung an den Kosten der Eingliederungshilfe einstimmig verabschiedet. Das war richtig und gut!

Die Kernaussage lautete: „80% der Eingliederungshilfe, die eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, wird in NRW von der kommunalen Familie bezahlt – für Leistungen die Land und Bund „bestellen“. Völlig richtig beschrieben!
Aber haben wir uns einmal gefragt, an wen wir diese Resolution mit der Bitte um Bezahlung der Kosten adressiert haben? An Land und Bund! Genau an das Land und den Bund, die gerade nicht wie Dagobert Duck auf gefüllten Geldspeichern sitzen, sondern bei denen defizitäre Haushalte, Neuverschuldung, Nettokreditaufnahme, Schuldenbremse landauf landab die tägliche Diskussion bestimmen und was mithin auch ein Grund für das Zerbrechen der letzten Bundesregierung war.

 

Hierzu möchte ich einen kurzen Exkurs wagen, wie sich Dinge in den letzten 50 Jahren entwickelt haben. Ich vergleiche hierbei normiert und bereinigt die drei größten Einzeletats der Bundeshaushalte 1970 und 2019.
Zwei der drei größten Einzeletats werden hierbei im Vergleich von 2019 zu 1970 prozentual am Gesamthaushalt gemessen deutlich geringer:

– Verteidigung 22% –> 12%

– Verkehr 11% –> 6%

– Ein Einzeletat jedoch steigt von 21 auf über 50%: Soziales!

 

Man muss kein habilitierter Volkswirt sein, um zu erahnen, dass dies eine ungesunde und nicht unendlich finanzierbare Fehlentwicklung ist, die nicht nur sofort gestoppt, sondern auch umgekehrt werden muss.

 

Eine 50 Mio.€-Konsolidierung beim LVR ist den Schweiß der Edlen wert. Eine Konsolidierung im Klinikverbund von 6,5 Mio.€ ist hierbei eine großartige Leistung, auch wenn sie nur das Risiko eines bei Schieflage notwendigen Verlustausgleichs minimiert.

Aber bei einem 5 Mrd.€-Haushalt sind 50 Mio.€ leider nur ein Prozent.

 

Einer der wirklichen „Big Points“ ist die soeben schon erwähnte Eingliederungshilfe. Deren Standards wie auch viele weitere soziale Standards der Sozialgesetzbücher legen aber nicht wir hier vor Ort in der kommunalen Familie fest, sondern sie werden von den politischen Vertretungen in Bund und Ländern bestimmt und ihre Umsetzung auf Gesetzeskonformität von der Judikative kontrolliert.

 

Offenbar geraten wir aber ob dieser Strukturen und den von ihr festgesetzten Inhalten und daraus resultierenden Kosten immer mehr in eine nicht mehr finanzierbare Schieflage, bei der wir zwischen Gesetzestexten, berechtigten Anliegen der Betroffenen, Finanzierbarkeit und juristischen Interpretationen quasi zermalmt werden.

 

Stellen wir einmal das Wort „Eingliederungshilfe“ in „Hilfe zur Eingliederung“ um und analysieren die Wörter dann: Die Hilfe ist das, was in den Gesetzbüchern festgeschrieben und notwendig ist, um den betroffenen Menschen, so weit als möglich in ein normales selbstbestimmtes Leben einzugliedern; heißt zum Beispiel, dass bei einem Kind, bei dem sehr früh eine Beeinträchtigung festgestellt worden ist, die Frühförderung sofort einsetzt, um im Verlaufe des Lebens dieses Menschen im Idealfall diese Förderung entbehrlich zu machen. Natürlich ist unbestritten, dass es auch viele Fälle gibt, wo dies aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung oder Mehrfachbehinderungen nicht oder nur teilweise erreicht werden kann.

 

Hier ergibt sich allerdings schon das erste Problem:

Nachvollziehbar wünschen sich Eltern für ihr Kind nicht die notwendige Förderung, sondern die bestmögliche Förderung – vorzugsweise von der Wiege bis zur Bahre.

Die Gesetze sprechen aber ausdrücklich von erforderlicher bzw. notwendiger Hilfe – dies aber nicht immer in klarer und unmissverständlicher Form. Auch dies können wir vor Ort nicht ändern, sondern wir setzen die Gesetze nach bestem Wissen und Gewissen um, gegebenenfalls zuzüglich gerichtlicher Korrekturen und Interpretationen.

 

Und hier wende ich mich, liebe Kollegen, an die Gruppierungen, die im Bundes- und Landtag vertreten sind und die Gesetze machen.

Es liegt an Ihnen als Legislative unter Beachtung volkswirtschaftlicher Realitäten, was somit aber auch heißt finanzierbar, die Standards festzusetzen und in unmissverständliche Gesetze, Erlasse und Verordnungen zu kleiden.

Und meine Damen und Herren, wenn hier Dinge geändert werden müssen, die derzeit aufgrund der Inhalte in den Sozialgesetzbüchern und sogar auch dem Grundgesetz nicht möglich sind, müssen diese geändert werden. Das ist vornehmste Aufgabe und Verantwortung einer Legislative, die Verantwortung für 84 Millionen Bürger und die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt trägt.

 

Das gesamte System muss durchforstet, entschlackt und vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden und dabei darf auch auf die Interessen einer zwischenzeitlich komfortabel etablierten „Sozialindustrie“ keine Rücksicht genommen werden.

Im Mittelpunkt muss natürlich zukünftig aber auch weiter der Mensch stehen, dem die notwendige Hilfe zuteilwerden muss!

 

Lassen Sie mich noch zu einigen Einzelaspekten des Haushallts kommen:

 

Im Bereich Personal stellt uns das Spannungsfeld von demografischer Entwicklung, Qualität der Bewerber und Wettbewerb unter den Arbeitgebern vor immer größere Herausforderungen.

Die begonnene Aufgabenkritik unter Berücksichtigung der Parameter Qualität, Geschwindigkeit und Menge der Aufgaben insbesondere unter Vermeidung von Redundanzen, also ein „Weniger ist mehr!“ muss fortgeführt und unter Erweiterung der Horizonte über alle Behörden auch interkommunal und interdisziplinär intensiviert werden.

In diesem Zusammenhang seien aber auch der Hinweis und die Frage erlaubt, ob nicht gemäß der Erfahrung, dass erfolgreiche Fußballmannschaften sich den erfahrenen Coach auch auf dem Markt holen, auch in diese Richtung einmal gedacht werden muss. Manchmal ist der eigene Blick durch Betriebsblindheit verstellt und der kritische Blick von außen zeigt neue Perspektiven auf, beispielsweise im Rahmen der dringend erforderlichen Beschleunigung der Digitalisierung von Verwaltungsabläufen und Serviceangeboten des LVR.

 

Das Bauprojekt Otto-Platz und das Bauprogramm für die Schulen sind für die FREIEN WÄHLER Projekte der und zur Zukunftssicherung, die wir ausdrücklich begrüßen und trotz hoher Investitionskosten und steigender Preise im Baubereich nicht in Frage stellen.

 

Für die FREIEN WÄHLER sind die Schulentwicklungsplanung und daraus resultierend Standortfragen wie auch das Thema Schüler-Beförderung wichtige Themen.
In Bezug auf die Schülerbeförderung regen wir an das Thema gemeinsam mit den für ÖPNV generell zuständigen Gebietskörperschaften einmal „größer“ zu denken, um möglicherweise erzielbare Synergien zwischen Schülerspezialverkehren und On-Demand-Angeboten auf schwachen Verkehrsachsen und zu verkehrsschwachen Zeiten zu heben.

 

Ich komme zum Schluss:

Der vorgelegte Haushaltsentwurf bildet trotz Risiken und Unwägbarkeiten das ab, was derzeit seriös und belastbar machbar ist. Insbesondere die Rücksichtnahme auf die kommunale Familie zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk, was wir sehr begrüßen.

Abschließend möchte ich mich bei Herrn Hillringhaus und seinem Team sowie dem Verwaltungsvorstand für die wie immer offene, freundliche und kompetente Unterstützung meiner Fraktion bei den Haushaltsberatungen bedanken.

 

Die FREIEN WÄHLER stimmen hinsichtlich der Sachanträge so ab wie im Finanzausschuss.
Zudem stimmen wir dem Hausaushalt, seinen Anlagen, dem Haushaltbegleitbeschluss von CDU und SPD sowie dem Stellenplan 2025/2026 zu.

 

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

Sperrfrist: Ende der Rede Sitzung Landschaftsversammlung 25.02.2025

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